09.04.24

etnow! #108 - Eine neuartige Lernwelt

Die Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart hat die letzten zwei Jahre intensiv genutzt und ihre drei Film- und TV-Studios der Fakultät Electronic Media technisch runderneuert - u.a. mit Hilfe von Rosco, SOMMER CABLE  und MA Lighting bietet man jetzt modernste Technologie für den Nachwuchs.

Fotos: Florian Müller, Lucio Silva, Silesia711, HdM
Ein Bild des Studios von der Hochschule der Medienmit blauen Scheinwerfern.
Ein Bild des Studios von der Hochschule der Medien. Im Hintergrund sind rote Scheinwerfer.

„Wir wollten unsere Räumlichkeiten fit machen für die digitale und nachhaltige Film- und Fernsehzukunft. Seit Vorlesungsbeginn im letzten Sommer können die Studentinnen und Studenten nun die neuen Studios für ihre Produktionen nutzen“, sagt Matthias Bürgel, Mitarbeiter im Studiengang Audiovisuelle Medien und verantwortlich für die Geräteauswahl im Fernsehproduktionsbereich.

Die Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart ist eine staatliche Hochschule in Trägerschaft des Landes Baden-Württemberg. Mit rund 30 akkreditierten Bachelor- und Master-Studiengängen deckt sie alle Medienbereiche ab. Dazu gehört auch der Studiengang Audiovisuelle Medien, der eine praxisorientierte Ausbildung in den Bereichen Film, Fernsehen und Medienwissenschaft vermittelt. Insbesondere die Forschung in den Bereichen High Dynamic Range, Wide Color Gamut und höhere Bildwiederholraten an der HdM Stuttgart hat internationale Aufmerksamkeit erlangt. Insgesamt sind derzeit rund 5500 Studierende an der Hochschule eingeschrieben.

Die drei Studios sind die am meisten genutzten Studiobereiche für Live-Fernsehproduktionen, für Bildaufnahmen für Visual Effects- und Filmproduktionen und für die Realisation interaktiver Erlebnisräume. Die Deckeninfrastruktur und Lichttechnik aller Studios sollte grundlegend modernisiert werden, um zeitgemäße Workflows und Lichtkonzepte in Lehre und Forschung abbilden zu können. So können künftig aktuelle Themen wie die digitale Ansteuerung von Lichtsystemen, Pixel-Mapping, Gestaltung mit kopfbewegten Scheinwerfern und die Programmierung von Lichtkonzepten in der Lehre umgesetzt werden. „Ab sofort stehen dort moderne LED-Lichttechnik, aktuelle Steuertechnik und motorisch verfahrbare Traversensysteme zur Verfügung. Damit können wir erstmalig und sehr flexibel mit kopfbewegten Scheinwerfern, Beamern, Kamera und Tracking-Systemen von oben arbeiten. Bei der Erneuerung haben wir uns an nachhaltigen, energetischen Aspekten orientiert, um bei den Produktionen eine geringere Wärmelast zu erzeugen“, erläutert Bürgel.

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Für die Erneuerung mussten zunächst die Decken komplett entkernt werden. In allen Studios wurden die Klimatechnik und die Elektro- und Datenverkabelung für die Lichtanlagen erneuert. „Die Verkabelung war noch aus der Zeit der Errichtung unserer Studios (1999/2000) und ausschließlich auf Lastdimmer ausgelegt und nicht einmal bzgl. DMX in irgendeiner Weise strukturiert vernetzt. Das wollten wir natürlich ändern und entwickelten ein Konzept für eine komplett neue Netzwerkstruktur in allen Produktionsstudios“, erläutert Simon Hermentin, Mitarbeiter der Hochschule der Medien und verantwortlich für den Filmproduktionsbereich.

Der Umbau der Studiodecken beinhaltete also eine neue netzwerktechnische Infrastruktur, um künftig Licht-, Audio- und Videodaten IP-basiert einbinden und steuern zu können. Nicht nur die wachsende Anzahl von Geräteparametern sondern auch die Einbindung eines Medienservers, von LED-Videowalls und weiteren Steuerrechnern hat diesen Übergang zu IP-basierten Netzwerkprotokollen in der Lichtansteuerung dringend nötig gemacht. Das neue Lichtnetzwerk in allen Studios besteht aus einem in sich geschlossenen LAN. Scheinwerfer werden aktuell über das Art-Net-Protokoll angesteuert. Ebenso wurde ein weiterer Ethernet-Standard, nämlich Power over Ethernet in den Studios umgesetzt. Diese Technologie ermöglicht eine integrierte Übertragung von Daten und Spannung innerhalb eines Netzwerkes und ermöglicht uns künftig so, auch kleine Komponenten ohne externe Stromversorgung zu betreiben. Hierbei kommen Netgear Switche der 4250 AV-Line mit PoE++ zum Einsatz“, so Hermentin weiter. Die gesamte Kabeltechnik stammt von SOMMER CABLE

Nach dem Umbau sind nun alle Studiodecken mit Ethernet verkabelt. Neben dem Lichtnetz gibt es noch ein zweites Netz auf eigene Patchfelder. Dieses Spare-Netz ist für alle Patches von Geräten gedacht, die nicht aus dem Bereich Licht stammen, wenn beispielsweise eine Einstellung nicht über Switches sondern „Point to Point“ laufen sollen. Die Studios und alle dazugehörigen Geräteräume sind zudem untereinander mit Glasfaser vernetzt worden, sodass man relativ unkompliziert Anwendungen zwischen den Räumen und in wechselseitiger Nutzung realisieren kann. Außerdem wurde das Saallicht für Aufbauarbeiten sowie den Seminarbetrieb ausgetauscht. Das gilt auch für die Trägersysteme an den Decken und deren Abstimmung auf die Gebäudestatik. Für alle Studiobereiche wurden aktuelle Brandschutzmaßnahmen berücksichtigt. Um auch energietechnisch auf dem neuesten Stand zu sein, werden alle Schienen, Deckenversätze und Wandversätze mit Lastmulticore gespeist. „Wir setzten dazwischen Stagesmarts C24 Verteiler ein, um jeden Kreis mit RCBO zu versorgen. Das macht auch die Nachverfolgung im Fehlerfall sehr einfach. Außerdem erhalten wir eine exakte Datenaufzeichnung unserer Verbräuche und können die Auslastung unserer Stromkreise live mitverfolgen – für die Lehre eine hervorragende Sache!“ In diesem neuen System findet man an jedem Versatz - egal ob Schiene, WAK oder Decke - immer sechs Stromkreise, entweder als PowerCon True 1, als Socapex oder doppelt ausgeführt parallel. 

„Von der Präzisierung bis zur Ausführung haben uns vor allem Peter Rieck von SOMMER CABLE  und die Firma DP Lighting Systems sehr unterstützt. Sommer cable ist bereits viele Jahre zuverlässiger Lieferant an unserem Hause. Nach einem äußerst detaillierten planerischen Austausch wurde uns schnell klar, dass wir mit den Sysboxx und Systrunk Komponenten die beste maßgeschneiderte Lösung gefunden hatten: ein erweiterterbares, modulares, System für unsere vielen Versatzkästen, robust, optisch ansprechend, weil dezent. Und: Man hat Einsatzbleche für jeden erdenklichen Steckkontakt bei bester Qualität."

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Das Team hinter dem Umbau der Studios (v.l.):
Matthias Adler (Produktionsingenieur TV), Prof. Dr. Burkard Michel (Dekan der Fakultät 2 Electronic Media), Prof. Stefan Grandinetti, Matthias Bürgel (Produktionsingenieur TV), Prof. Dr. Alexander W. Roos (Rektor), Peter Ruhrmann (Produktionsingenieur VFX), Simon Hermentin (Produktionsingenieur Film), Prof. Dr. Jan Fröhlich und Steffen Mühlhöfer (Produktionsingenieur Event Media).

Für die Unterstützung des Lehrbetriebs schaffte die HdM auch Rosco Mixbooks an. Mit diesen handlichen, digitalen Farbmusterbüchern und einer dazugehörigen kostenlosen App können verschiedene Farb- und Beleuchtungsvarianten auch außerhalb des Studios bzw. des Sets ausprobiert und in der App abgespeichert werden. Später können sämtliche Einstellungen über die App auf alle Roso Flächenleuchten übertragen werden.

Neben Rosco kamen weitere Leuchten von Arri und Robe zum Einsatz: „Bei Arri haben wir umfangreich in Orbiter und das gesamte optische Vorsatzsortiment investiert. Uns hat der Orbiter als Point-source Scheinwerfer anhand seiner vielseitigen Einsatzmöglichkeiten und der überragenden Konnektivität und Farbqualität restlos überzeugt“, begründet Simon Hermentin die Wahl. Von Robe kommen jetzt T1&T2 Profile Moving Lights, LEDBeams 350 und Tetra Bars zum Einsatz. „Insbesondere bei den Profilen war uns wichtig dass sie in puncto Weißlichtqualität bei den Scheinwerfern von Arri und Rosco mithalten können“, so Hermentin.

Er fährt fort: „Mit den Profilern arbeiten wir im szenischen Bereich auch gern mit Lightbridge Reflektoren. Das Cine Reflect Lighting System ermöglicht uns, sehr präzise, unauffällig und ‘spill-free’ zu arbeiten. Als große ‘Single Source’ für den szenischen Bereich setzen wir auf drei Sumomax in dem so genannten ‘Super3 Yoke’, mit dem es möglich ist, die wabenförmigen Scheinwerfer direkt aneinander zu montieren und somit ein homogenes Lichtfeld zu erzeugen. Die Leuchten sind zudem Pixel-Mapping fähig – sinnvoll bei Virtual Productions.“

Der Umbau der Studiodecken beinhaltete auch eine vollkommen neue elektro- und netzwerktechnische Infrastruktur. „Da wir mit der kompletten Migration zur LED-Technik keine Dimmer mehr im Einsatz haben und auch für künftige Studioszenarien gerüstet sein wollten, war die Entscheidung naheliegend, die gesamte Lichtsteuerung nur noch netzwerkbasiert via sACN und Art-Net zu realisieren. Das war für uns der ideale Zeitpunkt, sowohl im Fernseh- als auch im Filmstudio auf grandMA3 Lichtkonsolen umzusteigen“, erläutert Bürgel. Man entschied sich schließlich für die grandMA3 light sowie für die grandMA3 compact. „Bei der Planung größerer TV-Produktionen, aber auch virtueller Sets, hat das Thema Previsualisierung immer mehr an Gewicht gewonnen. In Kombination mit den Anwendungen Vectorworks und Depence 2 bieten die Konsolen dazu eine hervorragende Arbeitsgrundlage.“ 

Durch netzwerk- und motorgesteuerte Lichtsysteme ergeben sich neue Ansätze, mit denen die heutigen Gestaltungs- und Produktionskonventionen in den Bereichen TV, Film/VFX und Event Media erweitert und verändert werden. Simulationen von räumlicher Bewegung durch bewegtes Licht sind speziell bei Filmaufnahmen für Visual Effects-Produktionen im Studio nun möglich. Durch die Synchronisation von Kameras und LED-Hintergrundbildern können Verbesserungen von Bewegungssimulationen und Raumgefühl erzielt werden. „Das ist ein weiterer Schritt beim Erlernen modernster Medienproduktionen“, so Prof. Dr. Fröhlich.

Das Event Media-Studio der HdM ist dank technischer Einbauten mit sensorischen Einheiten und Mikrocontrollern „intelligent“ geworden. Sie machen Installationen ansprechbar, reaktiv und beweglich. „Die neue bauliche und hängetechnische Mechanik ermöglicht eine neuartige Lernwelt zur Konstruktion und Gestaltung interaktiver medialer Erlebnisräume“, findet Steffen Mühlhöfer, Leiter der Studioproduktionen, wobei nicht nur die Studios bühnentechnisch erneuert wurden, sondern auch die Kinobeschallung im HdM-Kino „Hardcut“ wurde akustisch optimiert.

Weitere beteiligte Firmen waren u.a. Movecat, Hof Alutec, Cast, ICT, Trendco, Lightequip, Contrik, MTS und Sumolight. Brandschutz, HLS, Akustik und Elektro wurden durch das Architekturbüro Plan7 koordiniert. Unterstützung bei der Vorabstimmung und Projektleitung kam von Jürgen Kössinger (Planungsbüro Wireworx, Stuttgart).

Die Umbaukosten beliefen sich auf rund 1,3 Millionen Euro. Sie wurden über einen Großgeräteantrag bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft und aus Hochschulmitteln finanziert. Außerhalb des Antragsbudgets lief auch noch eine größere Brandschutzmaßnahme, die Raumakustik wurde in den Studios angepasst, Lüftungstechnik wurde umgebaut und das gesamte Gewerk Elektro konnte ebenfalls über den Haushalt des zuständigen Universitätsbauamts getragen werden.

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